Mascha Kaléko: die Lyrikerin und ihr Ehemann
Mascha Kaléko, geboren am 7. Juni 1907 in Chrzanów, war eine herausragende deutschsprachige Dichterin, deren Werk oft der Neuen Sachlichkeit zugeordnet wird. Ihre Lyrik, geprägt von einem ironisch-zärtlichen und melancholischen Ton, fand besonderen Anklang, da sie die Gefühle kleiner Leute und das pulsierende Großstadtleben thematisierte. Bevor sie jedoch ihre volle künstlerische Reife erlangte und sich dem Exil zuwandte, erlebte sie eine prägende Zeit in Berlin.
Kindheit und erste Erfolge in Berlin
Die frühe Kindheit von Mascha Kaléko war von den Wirren der Zeit geprägt, doch ihr Weg führte sie nach Berlin, wo sie die Atmosphäre der pulsierenden Metropole aufsog und in ihre Dichtung einfließen ließ. In den goldenen Zwanzigern erlebte sie eine kulturelle Blütezeit, die auch ihr literarisches Schaffen beeinflusste. Ihr Durchbruch gelang ihr mit der Veröffentlichung ihres ersten Lyrikbandes, „Das lyrische Stenogrammheft” im Jahr 1933. Dieses Werk wurde zu einem großen Erfolg und etablierte sie als eine Stimme ihrer Generation. Die Gedichte, oft kurz und prägnant wie Stenogramme, fesselten die Leser mit ihrer direkten Sprache und tiefen Emotionalität. Sie spiegelten das Lebensgefühl der Zeit wider und fanden ein breites Echo in der literarischen Welt.
Das Leben im Exil mit Chemjo Vinaver
Die politischen Umwälzungen in Deutschland stellten jedoch bald einen dunklen Schatten über Mascha Kalékos Leben und Werk. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft und der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde ihr 1935 ein Schreibverbot auferlegt. Dies zwang sie zu einer schmerzhaften Entscheidung: 1938 emigrierte sie gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann Chemjo Vinaver, einem Musikwissenschaftler und Komponisten, sowie ihrem Sohn Steven in die USA. Das Exil in New York war für die Künstlerin eine Zeit des Umbruchs und der Entbehrung. Um den Lebensunterhalt zu sichern, war sie gezwungen, neben ihren Gedichten auch Werbetexte zu verfassen. Diese Jahre im fremden Land waren geprägt von Heimweh, Verlust und den Schwierigkeiten des Lebens in der Fremde, Themen, die sich unverkennbar in ihren Exilgedichten wiederfinden. Die enge Verbindung zu ihrem Ehemann Chemjo Vinaver war in dieser schweren Zeit eine wichtige Stütze, auch wenn die finanzielle Situation oft angespannt war.
Werk und Rezeption: Gedichte über das Leben
Mascha Kalékos Werk ist ein Spiegelbild des Lebens in all seinen Facetten – mal heiter, mal melancholisch, immer aber menschlich und nahbar. Ihre Gedichte erzählen von den kleinen Freuden und großen Sorgen des Alltags und fanden auch nach ihrer Emigration und Rückkehr nach Europa ein treues Publikum.
Das lyrische Stenogrammheft und weitere Veröffentlichungen
Der Erfolg von „Das lyrische Stenogrammheft” war nur der Anfang einer beeindruckenden literarischen Karriere. Nach diesem ersten Meilenstein folgten weitere Gedichtbände, die Mascha Kalékos Ruf als bedeutende Lyrikerin festigten. Ihre Publikationen zeichneten sich durch eine bemerkenswerte sprachliche Präzision und eine tiefe Empathie für die Menschen aus. Auch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland erlebten ihre Werke eine Wiederentdeckung, und ihre Bücher wurden erneut aufgelegt und avancierten zu Bestsellern. Verlage wie Rowohlt spielten eine wichtige Rolle bei der Verbreitung ihrer Lyrik.
Vertonungen und Übersetzungen im Schaffen
Mascha Kalékos Lyrik eignet sich nicht nur zum Lesen, sondern entfaltet auch in Vertonungen eine besondere Kraft. Zahlreiche Musiker haben ihre Gedichte vertont und ihnen so eine neue Dimension verliehen. Diese künstlerische Auseinandersetzung mit ihren Texten zeigt die tiefe emotionale Resonanz, die ihre Worte hervorrufen. Darüber hinaus war Mascha Kaléko auch eine gefragte Übersetzerin, insbesondere von jiddischer und hebräischer Lyrik. Diese Tätigkeit, die eng mit ihrem jüdischen Selbstverständnis verbunden war, trug auch zur finanziellen Unterstützung ihres Mannes Chemjo Vinaver bei, indem sie seine musikalische Arbeit unterstützte.
Nachkriegszeit und späte Jahre in Jerusalem
Die Nachkriegszeit brachte für Mascha Kaléko eine späte Anerkennung ihrer künstlerischen Leistungen in Deutschland, doch die Suche nach einer wahren Heimat sollte sie bis ans Ende ihres Lebens begleiten.
Wiederentdeckung in Deutschland
Nach Jahren des Exils kehrte Mascha Kaléko nach Deutschland zurück und erlebte dort eine erstaunliche Wiederentdeckung. Ihre Bücher, die zuvor im Schatten des Nationalsozialismus gestanden hatten, wurden neu aufgelegt und erfreuten sich großer Beliebtheit. Sie war nun die gefeierte Dichterin, die sie schon immer hätte sein können. Diese späte Anerkennung war für sie sicherlich eine Genugtuung, doch die Erfahrungen des Exils hatten ihre Spuren hinterlassen.
Mascha Kaléko: Ehemann, Sohn und das Gefühl der Fremde
Obwohl Mascha Kaléko in Deutschland wieder Beachtung fand, zog sie 1959 mit ihrem Ehemann Chemjo Vinaver nach Jerusalem. Doch auch hier fand sie keine wirkliche Heimat. Das Gefühl der Fremde und Isolation begleitete sie, und sie reiste viel, ohne je einen festen Anker zu finden. Der frühe Tod ihres Sohnes Steven im Jahr 1968 und kurz darauf, 1973, der ihres Mannes Chemjo Vinaver, stürzten sie in tiefe Trauer. Diese Verluste prägten ihre letzten Lebensjahre und verstärkten das Gefühl, nirgendwo mehr wirklich dazuzugehören. Sie starb am 21. Januar 1975 in Zürich.
Vermächtnis und Ehrungen
Mascha Kalékos literarisches Erbe lebt weiter und inspiriert bis heute Leser und Künstler. Ihre einzigartige Stimme und ihre tiefgründige Lyrik haben einen festen Platz in der deutschen Literaturgeschichte gefunden.
Trotz ihrer Bekanntheit und des Erfolgs ihrer Werke wurde ihre Dichtkunst bisweilen als „trivial” oder „banal” kritisiert, doch gerade diese Volksliedhaftigkeit und Zugänglichkeit machen sie für viele so wertvoll. Zeitgenossen wie Kurt Tucholsky, Hermann Hesse, Thomas Mann und sogar Albert Einstein lobten ihre Lyrik. Sie wurde treffend als „weibliche Ringelnatz” oder „weibliche Kästner” bezeichnet, was ihre Fähigkeit unterstreicht, das Alltägliche mit Witz und Tiefgang zu beschreiben. Mascha Kaléko wurde sogar für den Fontane-Preis nominiert, lehnte die Ehrung jedoch ab, da ein Jurymitglied eine Vergangenheit in der SS hatte – ein Zeichen ihres unerschütterlichen moralischen Kompasses. Ihr Nachlass befindet sich im Deutschen Literaturarchiv Marbach, und mehrere Straßen sowie eine Schule in Deutschland tragen heute ihren Namen, was ihr bleibendes Vermächtnis unterstreicht. Ihr Grab befindet sich auf dem Israelitischen Friedhof Oberer Friesenberg in Zürich.